ACP ist "... ein Prozess der den Patienten befähigt, seine Wünsche gemeinsam mit seinem Behandlungsteam, seiner Familie und anderen wichtigen Bezugspersonen auszudrücken. Gegründet auf dem ethischen Prinzip der Patientenautonomie und der legalen Bestimmung
einer informierten Zustimmung hilft eine bestmögliche Vorausplanung, das Konzept der
Zustimmung auch tatsächlich zu respektieren, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, aktiv an medizinischen Entscheidungen teilzunehmen" (Singer, Robertson. Roy
1996)
Das ACP Konzept ruht auf zwei Säulen: Zum einen erhalten Menschen im Rahmen eines professionelle
begleiteten Gesprächsprozess Gelegenheit, künftige Krankheitsszenarien und Behandlungsmöglichkeiten zu verstehen, die Vorzüge und Nachteile abzuwägen, in ihrem sozialen Umfeld zu besprechen und
schliesslich in einer aussagekräftigen Patientenverfügung zu dokumentieren. Zum anderen werden die Behandlungsteams durch die systematische und vereinheitliche Vorausplanung klar informiert,
so dass diese Art der Patientenverfügungen respektiert und gewürdigt wird.
(Jürgen in der Schmitten und Georg Marckmann/ Gesundheitliche Vorausplanung /Advance Care Planning
2012)
https://www.youtube.com/watch?v=NekY21ImI88&t=21s
Federführend erstellt von Prof. Dr. Ralf Jox und Prof. Dr. Tanja Krones, validiert vom Vorstand
von ACP Swiss, vorgestellt am Symposium ACP Swiss vom 26.08.2022
Primäres Ziel
Ausrichtung der Gesundheitsversorgung am autonomen Patientenwillen (goal-concordant care) und die
Befähigung aller Beteiligten, dies zu realisieren.
Sekundäre Ziele:
- Förderung des Patientenwohls
- Verringerung schädlicher Übertherapie
- Unterstützung der Angehörigen der Patienten:innen
- Orientierung für Gesundheitsfachpersonen
- Verringerung entscheidungsassoziierter Belastungen
- Verbesserung der Kommunikation zwischen den Beteiligten
- Erhöhung des Vertrauens in das Gesundheitssystem
Ethische Grundlagen
- Personenzentrierter Ansatz der Gesundheitsversorgung
- Respektierung von Autonomie
- Relationale Autonomie: Autonomie realisiert sich in menschlichen Beziehungen
- Temporale Autonomie: Autonomie realisiert sich durch und in der Zeit
- Capability-Ansatz: Autonomie als Befähigung dient menschlichem Wohlergehen
- Realisierung von Shared Decision Making und Informed Consent
- Begründung auf der Basis weiterer Prinzipien der biomedizinischen Ethik: Wohltun, Nichtschaden,
Gerechtigkeit
- Begründung mittels Care-Ethik und Tugendethik
Empirische Grundlagen
- Berücksichtigung der internationalen wissenschaftlichen Evidenz
- Berücksichtigung der Erfahrungen anderer Länder und Regionen in Bezug auf ACP
- Wissenschaftliche Begleitforschung und Evaluation von ACP in der Schweiz
- Konkret: Austausch mit ACP-International und anderen nationalen Organisationen
- Forschungsförderung zu ACP
- Evaluation einer neuen rechtlichen oder politischen Regelung
Zugang zu ACP
- ACP steht grundsätzlich allen interessierten Personen offen
- Die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen rechtfertigen ein modulares Modell (z.B.
- Module für Gesunde, für chronisch Kranke, für Menschen am Lebensende, Menschen mit
- kognitiven Einschränkungen)
- Wesentliches Ziel ist die Zugangsgerechtigkeit, d.h. gleicher Zugang für diskriminierte oder
- vulnerable Gesellschaftsgruppen (z.B. Arme, Migrant:innen, Wohnsitzlose)
- Der Zugang sollte niederschwellig sein und ein aufsuchendes Angebot enthalten
- Die Möglichkeit von ACP sollte der gesamten Bevölkerung bekannt gemacht werden (über
- Gesundheitswesen, staatliche Organisationen, öffentliche Medien, öffentliche Veranstaltungen
- etc.)
Die ACP-Gespräche
- Entscheidend ist ein interpersonaler Gesprächsprozess, also mindestens ein Dialog
- Für urteilsunfähige Menschen: ACP by proxy als Sonderform (vertretungsberechtigte Person +
- soweit möglich die betroffene Person und ihr Beziehungsnetz)
Essentielle Inhalte der Gespräche:
- Reflexion persönlicher Wertvorstellungen, Ziele, Präferenzen („Standortbestimmung“) und der
- eigenen gesundheitlichen Situation
- Antizipation relevanter Situationen der Urteilsunfähigkeit und der damit verbundenen Therapieziele und Therapieentscheidungen
Gesprächsprozess:
- Das direkte, persönliche Gespräch ist zu bevorzugen, aber Informations- und
- Kommunikationstechnologie kann genutzt werden (z.B. Videokonferenz, Apps)
- professionelle, speziell geschulte Gesprächsbegleitung durch eine Fachkraft (ACP facilitator) mit
- Erfahrung im Gesundheitswesen und kommunikativer Kompetenz
- Gespräche sollten personenzentriert geführt werden (autonomer Wille der Person zu fördern,
- ohne zu beeinflussen oder zu manipulieren)
- Gespräche sollten die der Person am nächsten stehende Person(en) integrieren, insbesondere
- (potenziell) vertretungsberechtigte Personen (Einwilligung der Person)
- Gesundheitsfachpersonen integrieren, wenn ihre Expertise entscheidungsrelevant ist oder sie
- im Versorgungsnetzwerk eine wichtige Rolle spielen (z.B. Hausarzt/ärztin)
- Gesprächsprozess sollte strukturiert sein und anerkannten Regeln folgen
- Gesprächsprozess sollte zu einer Zeit stattfinden, in der sich die Person gesundheitlich und
- mental in einer stabilen Situation befindet
- Dem Gesprächsprozess sollte genügend Zeit eingeräumt werden
- In der Regel erstreckt sich der Prozess über mehrere Gespräche
Wie sieht eine solche Planung aus?
Im Beratungsgespräch mit Ihnen, Ihren Angehörigen (Ihrer vertretungsberechtigten Person) und einer
ausgebildeten Beraterin formulieren Sie Ihre Wünsche und Vorstellungen für zukünftige medizinische Behandlungen. Im ersten Schritt halten Sie fest, auf welcher Grundlage Ihre Entscheidungen
beruhen. Dazu werden Ihre Wertvorstellungen und Ihre Vorstellungen von Lebensqualität so festgehalten, dass diese auch dann verstanden werden, wenn Sie sich selbst dazu nicht mehr äussern können.
Im gemeinsamen Gespräch werden Ihre ganz persönlichen Werthaltungen zusammengefasst und bilden damit die Grundlage für die Entscheidungen in der Patientenverfügung.
Ein Beispiel dazu:
Solange wir urteilsfähig sind entscheiden wir immer auf der Basis unserer Wertvorstellungen, auch wenn
wir ein Auto kaufen wollen. Wir überlegen uns im Vorfeld zahlreiche Dinge die wir mit Menschen aus unserem Umfeld besprechen, machen Abwägungen, was spricht dafür, was dagegen und entscheiden uns
meist nach diesem Prozess welchen Wagen wir schlussendlich kaufen.
Haben Sie Ihre Patientenverfügung verfasst, ist es wichtig die Inhalte mit Ihrem behandelnden Arzt zu besprechen, damit
Ihre Festlegungen für die Zukunft bekannt sind und Ihr Arzt Ihre Beweggründe kennt. Neben Ihrem Arzt sollten auch alle die Stellen an denen Sie medizinisch behandelt werden eine Kopie Ihrer
Patientenverfügung erhalten. Ihre ACP Beraterin unterstützt Sie in all den Fragen, damit Ihre Festlegungen aus der Patientenverfügung auch respektiert werden.